Medizinische Fakultät
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

GSC 1006 - Graduiertenschule für Quantitative Biowissenschaften München (QBM)

  • Sprecher: Prof. Dr. Ulrike Gaul
  • Einrichtung: Genzentrum und Department für Biochemie

gaul Professorin Ulrike Gaul

"An diesem Projekt haben wir zwei Jahre gearbeitet“, sagt Prof. Ulrike Gaul über das, was offiziell so heißt: Graduate School of Quantitative Biosciences Munich, abgekürzt QBM. Dennoch ist die Wissenschaftlerin vom Genzentrum und Department für Biochemie der LMU mehr als zufrieden mit der neuen Graduiertenschule. Im Juli 2012 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Förderung für fünf Jahre bewilligt. „Mit dem Geld kann man wirklich etwas auf die Beine stellen“, erklärt die Biochemikerin. Am 1. November 2012 haben die offiziellen Vorbereitungen für die Einrichtung begonnen. Ab Oktober 2013 starten die ersten 25 Doktoranden mit ihrer Promotion, gefördert mit Stipendien und eingebunden in ein modernes und innovatives Ausbildungskonzept. Was die Studierenden mitbringen müssen? Ein naturwissenschaftliches Studium mit hervorragenden Leistungen. Vor allem aber brennendes Interesse an interdisziplinären Fragen in den Lebenswissenschaften.

Denn trainiert wird hier der Forscher-Typus der Zukunft, der über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinaus zu blicken vermag. Willkommen sind Chemiker, Biologen, Physiker, Bioinformatiker, Mathematiker, die in der Graduiertenschule „ein umfassendes Training in den quantitativ und systemisch arbeitenden Lebenswissenschaften bekommen“, so Ulrike Gaul. Prof. Bernd Huber, der Präsident der LMU, hatte der Biochemikerin vorgeschlagen, eine neue Graduiertenschule im Rahmen der Exzellenz- Initiative des Bundes und der Länder aufzubauen. Gespeist aus ihren eigenen Erfahrungen als Wissenschaftlerin und den aktuellen Entwicklungen in der Forschung erwuchs ein Konzept, das Interdisziplinarität, und vor allem die Verbindung von experimentellen und theoretisch-quantitativen Fachrichtungen, zur zentralen Idee erhebt.

huber Professor Bernd Huber

„Die Doktoranden bearbeiten immer Projekte an der Grenzfläche zwischen zwei Disziplinen“, betont Gaul. Und sie bekommen vor allem im ersten Jahr eine umfassende Ausbildung in den Grundlagen der beteiligten Fächer. Wenn etwa Physiker oder Bioinformatiker innerhalb der Graduiertenschule promovieren, werden sie auch mit zentralen Konzepten und Methoden der experimentellen Lebenswissenschaften vertraut gemacht, damit sie ein besseres Verständnis der biologischen Prozesse entwickeln, die sie beispielsweise mathematisch modellieren sollen. „Die verstehen dann einfach viel genauer, was sie sich anschauen“, so die Biochemikerin, „was daran leicht oder schwierig zu messen ist, was die wichtigsten Parameter für die Modellbildung sind.“ Umgekehrt wollen Biochemiker womöglich genomische oder biophysikalische Experimente machen, die sie selbst auswerten möchten. Dafür erlernen sie in der Graduiertenschule quantitative Techniken, von den relevanten mathematisch-physikalischen Grundlagen bis hin zum Schreiben entsprechender Datenanalyse-Programme am Rechner.

Mit der Idee im Kopf hat sich Gaul, seinerzeit noch neu an der LMU, „auf eine kleine Rundreise durch die Fakultäten begeben, um zu sehen, wer an interdisziplinärer Doktorandenausbildung interessiert ist, wer geeignete Forschungsprojekte anbieten kann und Lust und Zeit hat, in der Lehre mitzuwirken“, wie sie sagt. Meist stieß sie auf offene Ohren, in der Chemie und Biochemie, Physik, Bioinformatik und der Mathematik. Von Seiten der medizinischen Fakultät beteiligen sich Forscher aus der vorklinischen Medizin, von Seiten des Klinikums der Universität München sind es Prof. Wolfgang Franz von der Medizinischen Klinik I (seit 01.07.2013 Medizinische Universität Innsbruck) und Prof. Christoph Klein, Direktor des Dr. von Haunerschen Kinderspitals.

franz Professor Wolfgang Franz

Sie alle sind davon überzeugt, dass die künftige Lebenswissenschaft genau jenen Typus Wissenschaftler sucht und braucht, der in der Graduiertenschule ausgebildet wird. Denn „die biologischen Wissenschaften werden immer quantitativer und systemischer“, weiß Gaul. Das heißt beispielsweise: Da werden Millionen Gensequenzen parallel in sogenannten Hochdurchsatzverfahren untersucht, ganze Netzwerke von Proteinen durchforstet und riesige Mengen an Daten erzeugt, die nur mit intelligenten Analyseverfahren und großer Rechenkraft zu bewältigen sind. „Und auch wenn man dabei mit entsprechenden Spezialisten zusammenarbeiten will, muss man doch die jeweils anderen wissenschaftlichen Sprachen lernen und die dahinter stehenden Denkweisen zumindest im Kern begreifen“, erklärt die Münchner Forscherin, „die Theoretiker müssen lernen, mit den Experimentatoren zu reden und umgekehrt. Da wirklich ein produktives Gespräch hinzubekommen, das ist die Grundidee der Schule.“

Thematisch geht es in den Forschungsprojekten der Schule im weitesten Sinne um die Regulation der Genexpression – wie also die Maschinerie einer Zelle Gene anschaltet und die in ihnen steckende Information nutzt, um Proteine und andere Moleküle herzustellen, die sie für ihren Stoffwechsel und ihren Aufbau benötigt. Wie die Proteine sich in ihre dreidimensionale Struktur falten und schließlich wieder abgebaut werden, wie bestimmte regulatorische Proteine mit der Erbsubstanz interagieren. Und es geht auch darum, die entsprechenden Methoden zu verbessern und zu verfeinern: Wie kann man noch genauer messen und noch realitätsnäher auswerten und modellieren?

klein Professor Christoph Klein

„Alle Promotionsforschungen in der Graduiertenschule hängen insofern zusammen“, betont Gaul, „ohne dass einer dem anderen zuarbeitet.“ Jeder Doktorand bekommt zwei wissenschaftliche Betreuer zugeteilt – einen aus dem Fach, das er studiert hat (etwa Biochemie) und einen aus dem anderen am Projekt beteiligten Fach (etwa Bioinformatik). Insgesamt wirken 25 Arbeitsgruppenleiter mit. An jedem Promotionsprojekt sind mithin zwei Labors beteiligt. „Das sind Kooperationen, die zumeist erst durch die Gründung der Graduiertenschule etabliert werden“, hebt die Initiatorin der Einrichtung hervor.

Im angloamerikanischen Raum hat die Graduiertenschule mit ihrem intensiven Lehrprogramm durchaus Vorbilder, die deutsche Forschungslandschaft bietet bisher kein vergleichbares Pendant. Noch stecken Ulrike Gaul und ihre Kollegen und Mitarbeiter mitten in der Vorbereitung. „Das ist sehr spannend. Wenn der Laden einmal läuft, werden wir 100 Studierende zu betreuen haben. Wir sind auf einem guten Weg, und ich bin überzeugt: Es lohnt sich.“

Quelle: Jahresbericht 2014 (Text und Bildnachweis)