Medizinische Fakultät
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Neurologie: Hirnverletzung bei Kosmonauten nach Allaufenthalt

11. Oktober 2021

Nach Rückkehr von einer Langzeit-Mission gibt es im Blut Hinweise für eine Gehirnverletzung, zeigen LMU-Mediziner gemeinsam mit einem internationalen Team.

Längere Aufenthalte im Weltraum lassen bei Raumfahrern nicht nur die Muskeln und Knochen schwinden, sondern wirken sich auch auf das Gehirn aus. Das hatten bildgebende Studie der vergangenen drei Jahre angedeutet. Unklar war aber bis jetzt, ob diese beobachteten Vorgänge plastisch oder schädlich sind. Die LMU-Mediziner Professor Peter zu Eulenburg und Professor Alexander Choukér haben nun in Kooperation mit Wissenschaftlern der Universität Göteborg (Schweden) und russischen Kollegen erstmals bei Astronauten anhand von hochmodernen Bluttests die strukturelle Integrität des Gehirns nach ihrer Rückkehr untersucht. In ihrer Pilotstudie konnten die Forscher nachweisen, dass mehrere Kennproteine für Alterungsprozesse und Verletzungen des Gehirns direkt nach Rückkehr aus dem All deutlich ansteigen.

Die Forscher untersuchten Blutproben von fünf Kosmonauten, die im Mittel 169 Tage an Bord der internationalen Raumstation ISS verbracht hatten. Bei allen Raumfahrern entnahmen sie vor dem Start der Mission als auch am Tag nach der Rückkehr Blut, zusätzlich auch noch eine und drei Wochen nach Landung auf der Erde. „Damit sind wir die ersten, die engmaschig über drei Wochen unmittelbar nach einem Langzeitaufenthalt im Blut sehr detailliert den Zustand des Gehirns beurteilen können“, betont zu Eulenburg.

Blutproben zeigen Anstieg hirneigener Proteine

Die Blutproben zeigen im Vergleich zur Untersuchung vor dem Start einen erheblichen Anstieg mehrerer hirneigener Proteine vor allem in der ersten Woche nach der Rückkehr. Die beobachteten Proteine sprechen hier für eine Verletzung der langen Nervenfasern in der weißen Substanz und dem Stützgewebe des Gehirns, der Glia. Der Anstieg der Blutwerte ist für zwei Varianten des Amyloid-Proteins, einem Alterungsmarker, sogar noch nach drei Wochen substantiell nachweisbar und korreliert in seiner Höhe mit der Dauer seit dem Start ins All. Für das Tau-Protein als Repräsentant der grauen Substanz fand sich erst drei Wochen nach Rückkehr zur Erde ein deutlicher Abfall der Werte im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung. Da das Verhalten sehr verschiedener Proteine sehr ähnlich war, gehen die Forscher von einer umfassenden Gesamtreaktion des gesamten Gehirns nach Langzeitaufenthalt in der Schwerelosigkeit aus und nicht nur von der Veränderung einer Gewebsart alleine.

„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine leichtgradige, aber anhaltende Hirnverletzung und einen beschleunigten Alterungsprozess des Gehirns bei Rückkehr zur Erde hin“, sagt zu Eulenburg. „Es scheinen dabei alle relevanten Gewebsarten des Gehirns betroffen zu sein.“ Ein klinischer Hinweis für neurologisch relevante Folgen eines Langzeitaufenthalts im All sind bisher lediglich Veränderungen des Sehvermögens bei einigen Raumfahrern.

„Um die neurologischen Risiken bei Langzeitmissionen zu minimieren und die allgemeine klinische Bedeutung der Befunde zu bestimmen sind umfassendere Studien mit vorbeugenden Maßnahmen gegen den Druckanstieg im Kopf unbedingt notwendig, bevor Raumfahrer eine Reise zum Mars antreten.“
(Peter zu Eulenburg)

Gestörter Blutabfluss im Kopfbereich

Ursache für den Anstieg der Hirnproteine ist möglicherweise ein gestörter Abfluss des venösen Bluts aus dem Kopf in Schwerelosigkeit, der im Lauf der Zeit zu einem Druckanstieg im Nervenwasser führt. Hier gibt es Hinweise auf eine Korrelation mit der Aufenthaltsdauer im All.

„Um die neurologischen Risiken bei Langzeitmissionen zu minimieren und die allgemeine klinische Bedeutung der Befunde zu bestimmen sind umfassendere Studien mit vorbeugenden Maßnahmen gegen den Druckanstieg im Kopf unbedingt notwendig, bevor Raumfahrer eine Reise zum Mars antreten“, so Peter zu Eulenburg.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Alexander Choukèr
Klinik für Anaesthesiologie
Alexander.Chouker@med.uni-muenchen.de

Prof. Dr. Peter zu Eulenburg
Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie

Quelle: LMU