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Freie Bahn für CAR-T

10. Juni 2021

Die sogenannte CAR-T-Zelltherapie gilt als ein Durchbruch der Immun- und Gentherapie gegen diverse Formen der Leukämie („Blutkrebs“). Doch gegen „solide“ Tumoren wie Brust-, Prostata-, Lungen-, Leber-, Bauchspeicheldrüsen- oder Darmkrebs wirken sie nicht. Forscher*innen des LMU Klinikums um Dr. Bruno Cadilha und Prof. Sebastian Kobold von der Abteilung für Klinische Pharmakologie haben die Behandlung nun so weiterentwickelt, dass sie in Zell- und Tierversuchen auch gegen diese viel häufigeren Krebsformen effektiv waren. Ihre Ergebnisse wurden nun in Science Advances veröffentlicht. Eine klinische Studie mit Patienten soll bis Mitte des Jahrzehnts folgen.

Es ist ein alter Traum der Medizin: Das Immunsystem eines Krebspatienten „scharf“ auf die Tumorzellen im Körper zu stellen und die lebensgefährliche Erkrankung zu bekämpfen. Vor kurzem ist er erstmals wahr geworden: Mittlerweile tausende Patient*innen mit Leukämien (Blutkrebs) und Lymphomen (Lymphdrüsenkrebs) wurden mit „CAR-T-Zellen“ – oft erfolgreich – behandelt. Das heißt: Der Krebs verschwindet oder entwickelt sich zumindest nicht so weiter, dass die Patient*innen sterben.

CAR-T steht für „chimärer Antigenrezeptor in T-Zellen“. T-Zellen sind Zellen des Immunsystems. Ihren „normalen“ Angriffsversuchen entziehen sich die Krebszellen durch diverse molekulare Tricks. So erkennen sie ihre Gegner, die Krebszellen, gar nicht mehr. Im Zuge der Therapie werden den Patient*innen nun T-Zellen entnommen, die gentechnisch so bearbeitet werden, dass sie ein bestimmtes Eiweiß (CD19) auf ihrer Oberfläche produzieren.

kobold-car-t Therapeutische T-Zellen (in grün) gelangen besser in einen Tumor (in blau) als Kontroll-T-Zellen (in rot), was zu einer erfolgreichen Tumorbeseitigung führt. (Bild: LMU Klinikum)

Wenn die CAR-T-Zellen in den Körper der Patient*innen gespritzt werden, sorgt CD19 dafür, dass die CAR-T-Zellen die Krebszellen erkennen und zielgenau daran binden. Die Krebszellen sterben daraufhin ab. Bisher aber, sagt Sebastian Kobold, „funktioniert das nur bei Formen des Blut- und Lymphdrüsenkrebses sehr gut.“ Also in Deutschland bei etwa einigen hundert Patient*innen jährlich.

Für hunderttausende Patient*innen mit soliden Tumoren suchen die Forscher*innen nach einer Variante der CAR-T-Zelltherapie. Das, so Kobold weiter, „liegt einerseits an der komplexeren Biologie dieser Tumoren.“ Und andererseits daran, „dass die CAR-T-Zellen viel schwieriger Zugang zum Tumor finden. Und die, die hereinkommen, werden durch Mechanismen der Immunsuppression auch noch unterdrückt.“

Die potenziellen Lösungen

Um die Bahn für die CAR-T-Zellen auch in soliden Tumoren frei zu machen, haben die Forscher*innen des LMU Klinikums zusätzliche Gene in das Erbgut der CAR-T-Zellen eingeschleust.
Diese stellen daraufhin zwei bestimmte Moleküle her:

  • Das C-C-motive Chemokinrezeptor 8 sendet ein Signal, das die CAR-T-Zellen direkt zum Krebsherd lockt und sie in das Tumorgewebe eindringen lässt.
  • Ein eigens von den Forscher*innen im Labor gebauter Rezeptor fängt das Molekül TGF-Beta ab, bevor es seine krebsfördernde Wirkung entfaltet. Denn dieses Eiweiß ist der Teil einer Signalkaskade, an deren Ende die krebstötende Aktivität der CAR-T-Zellen in den Tumorzellen unterdrückt wird.

„Unser Konzept hat die CAR-T-Zellen in unseren Laborversuchen so fit gemacht, dass sie solide Tumore angreifen“, sagt Sebastian Kobold und arbeitet mit seinen Mitstreitern bereits an den Vorbereitungen für eine klinische Studie. Das ist nicht trivial, denn die Herstellung von CAR-T-Zellen für Patient*innen ist kompliziert und unterliegt etlichen regulatorischen Auflagen. Der Mediziner hofft aber, „dass wir in drei Jahren soweit sein werden.“

Titel der Originalarbeit

Cadilha BL, Benmebarek MR, Dorman K, Oner A, Lorenzini T, Obeck H, Vänttinen M, Di Pilato M, [...], Kobold S
Combined tumor-directed recruitment and protection from immune suppression enable CAR T cell efficacy in solid tumors
Sci Adv. 2021; 7; eabi5781

Ansprechpartner

Prof. Dr. Sebastian Kobold, M.D.
Abteilung für Klinische Pharmakologie
+49 89 4400 57301/-57325
sebastian.kobold(at)med.uni-muenchen.de

Quelle: LMU Klinikum