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Bindeproteine: Dirigenten der neuronalen Balance

22. Juni 2021

LMU-Wissenschaftler zeigen, wie RNA-Bindeproteine Synapsen über unterschiedliche Signalwege beeinflussen und gemeinsam deren Funktion gewährleisten.

nervenzelle Kortikale Nervenzelle in Kultur. (Bild: R. Schieweck)

Zellen des zentralen Nervensystems müssen flexibel auf neue Anforderungen und Reize reagieren. Dafür müssen sie immer wieder neu verschaltet und Protein-Baupläne von Boten-RNAs (mRNAs) zur richtigen Zeit an den richtigen Ort gebracht werden. Spezifische mRNA-Bindeproteine spielen dabei eine wichtige Rolle und regulieren zahlreiche zelluläre Funktionen. Ein Team um den LMU-Biochemiker Michael Kiebler hat nun für zwei wichtige Bindeproteine detailliert gezeigt, dass sie die Synapse auf unterschiedliche Art und Weise beeinflussen und sich in der Aufrechterhaltung des neuronalen Gleichgewichts ergänzen.

Die RNA-Bindeproteine Staufen und Pumilio übernehmen essenzielle Funktionen im zentralen Nervensystem. Beide sind an der Regulation der Reizübertragung an der Synapse beteiligt und ihre mRNA-Zielstrukturen überlappen sich. Teilweise kommen sie sogar in denselben Granula vor. Granula sind kleine Partikel, in denen mRNAs, Proteine und Translationsregulatoren bis zu ihrem Bestimmungsort transportiert werden. „Wie die Bindeproteine allerdings funktionell in Verbindung stehen und welche Signalwege sie in den Nervenzellen ansteuern, war bis dahin unbekannt“, sagt Rico Schieweck, Mitarbeiter in Kieblers Team und Erstautor der Studie.

Mithilfe von Nervenzellkulturen konnten die Forscher nun nachweisen, dass Staufen und Pumilio jeweils unterschiedliche synaptische Signalwege regulieren. Staufen reguliert vor allem die RNA-Levels und damit die Menge der produzierten Proteine. Es beeinflusst unter anderem Entwicklungsprozesse und den Umbau synaptischer Verbindungen, etwa bei Lernprozessen. Pumilio dagegen wirkt eher auf Translationsebene, also bei der Umsetzung der mRNA in Proteine. Dabei hat es eine duale Rolle bei der Reizübertragung: „Wir konnten Pumilio als bisher unbekannten Koordinator der neuronalen Hemmung identifizieren, zudem reguliert es auch direkt die Erregbarkeit von Nervenzellen“, erzählt Rico Schieweck. Fehlt das Protein, kommt es zu einer überschießenden neuronalen Erregung. Insgesamt betrachten die Forscher Pumilio und Staufen als das Yin und Yang der synaptischen Proteinexpression: Indem sie differenziert und hochselektiv unterschiedliche Prozesse beeinflussen, gewährleisten sie gemeinsam die Funktion einer Synapse.

Störungen des neuronalen Gleichgewichts stehen mit neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen wie Epilepsie oder Autismus in Zusammenhang. Die neue Studie kann nach Ansicht der Forscher dazu beitragen, diese Krankheiten besser zu verstehen, indem sie wichtige Einblicke in die zugrunde liegenden Mechanismen ermöglicht, wie verschiedene RNA-Bindeproteine unterschiedlich auf Synapsen Einfluss nehmen können.

Titel der Originalarbeit

Schieweck R, Riedemann T, Forné I, Harner M, Bauer KE, Rieger D, yee Ang F, Hutten S, [...], Kiebler MA
Pumilio2 and Staufen2 selectively balance the synaptic proteome
Cell Reports 2021; 35, 109279

Ansprechpartner

Prof. Dr. Michael Kiebler
Biomedizinisches Centrum München
+49 89 2180 75884
michael.kiebler@med.uni-muenchen.de

Quelle: LMU Klinikum