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17. Mai 2019

LMU-Forscher zeigen mithilfe der CRISPR-Technologie über welche Mechanismen Zellen im Gehirn verfügen, damit sie sich wie geplant entwickeln können: Zentrale zelluläre Schalter sind gleich doppelt vor störenden Einflüssen geschützt.

neuron Neuron generiert aus künstlich verjüngten neuralen Stammzellen. (Bild: V. Baumann)

Die Körper aller höheren Organismen bestehen aus vielen verschiedenen Zelltypen. Welche Identität und Funktion eine einzelne Zelle bekommt, wird während der Entwicklung durch molekulare Prozesse festgelegt. Eine entscheidende Rolle spielen dabei sogenannte Master-Transkriptionsfaktoren. Sie setzen als Schlüsselschalter die entsprechenden genetischen Programme in Gang, die die zelluläre Identität bestimmten. Die Zelle muss diese Schlüsselproteine stark kontrollieren, da eine fehlerhafte Aktivierung die Integrität des gesamten Organismus gefährden könnte: Denn die Schlüsselproteine könnten sogar bereits etablierte zelluläre Programme überschreiben. Wie Wissenschaftler um Dr. Stefan Stricker vom Munich Center for NeuroSciences am Biomedizinischen Centrum der LMU und des Helmholtz Zentrums München nun zeigen konnten, verfügen Nervenzellen dafür sogar über einen zweifachen Schutzmechanismus. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Nature Communications.

Am Anfangspunkt der Forschung stand zunächst eine andere Frage: „Wir wollten untersuchen, wie man Gene mithilfe der CRISPR-Cas9-Technologie ein- und ausschalten kann“, sagt Stricker. Um diesen technischen Aspekt in einem System zu untersuchen, das in der Zelle auch große Relevanz hat, wählten die Wissenschaftler als Ziel das sogenannte Sox1-Gen. Dabei handelt es sich um einen Master-Transkriptionsfaktor, der in neuronale Stammzellen aktiv ist. In allen anderen neuralen Zellen, z.B. den bereits etwas „gereiften“ neuronalen Vorläuferzellen ist das Gen nicht mehr aktiv. Dadurch verlieren die Zellen ihre Fähigkeit, sich zu jedem beliebigen Nervenzelltyp zu differenzieren. In diesem Fall können sie keine Neuronen mehr bilden, also die Nervenzellen, die elektrische Signale weiterleiten.

Mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie brachten die Wissenschaftler in solche neuronalen Vorläuferzellen ein Trans-aktivator Protein in die Nähe des Sox1-Gens. Viele andere Gene lassen sich auf diese Weise gut aktivieren, bei Sox1 aber funktionierte es nicht. Das deutete daraufhin, dass es einen besonderen Mechanismus geben muss, der verhindert, dass das Gen wieder aktiv wird. Die LMU-Forscher nahmen bestimmte chemische Modifikationen in den Blick, sogenannte Methylierungen, von denen bekannt ist, dass sie Gene inaktivieren können. „Wir haben nochmals CRISPR-Cas9 eingesetzt, um in einem zweiten Schritt auch die Methylierung zu entfernen“, sagt Stricker. „Die Kombination beider Verfahren brachte den Durchbruch. Wir konnten Sox1 aktivieren und damit die Zellen quasi verjüngen: Sie bekamen ihre Stammzellfähigkeiten wieder und konnten nun auch wieder Neuronen bilden.“

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Zelle besondere Sicherheitsstrukturen für Gene hat, die die Zellidentität beeinflussen und deshalb für den Organismus gefährlich werden können – deshalb die doppelte Sicherung gegen die Wieder-Aktivierung. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte sowohl die Re-Aktivierung stillgelegter Gene als auch die Möglichkeit, neuronale Vorläuferzellen wieder zu Stammzellen zu verjüngen zukünftig für die Entwicklung neuer therapeutischer Ziele interessant sein. „Aber von unserer Grundlagenforschung bis zur Anwendung ist es noch ein weiter Weg“, sagt Stricker.

Titel der Originalarbeit

Valentin Baumann, Maximilian Wiesbeck, Christopher T. Breunig, Julia M. Braun, Anna Köferle, Jovica Ninkovic, Magdalena Götz & Stefan H. Stricker.
Targeted removal of epigenetic barriers during transcriptional reprogramming
Nature Communications 2019; 10:2119

Quelle: LMU