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Kämpferische Mitochondrien

18. Dezember 2019

Es gibt eine Fülle seltener Erbkrankheiten, die die Mitochondrien und damit die Energieversorgung in den Muskelzellen schwächen. Untersuchungen des Proteinstatus zeigen erstmals, wie die Zellen die Produktion von Mitochondrien-Bausteinen hochregeln, um die Verluste auszugleichen.

klopstock_thomas Ein Team um Professor Klopstock untersucht wie sich die stärker betroffenen COX-negativen von den weniger stark betroffenen COX-positiven Muskelfasern unterscheiden. (Foto: LMU)

Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Sie versorgen Gewebe mit Energie für Bewegung und Stoffwechsel. Doch was passiert, wenn sie geschädigt sind oder ganz ausfallen? Rund 350 seltene Krankheiten oder Syndrome sind bekannt, die sich auf Fehlfunktionen der Mitochondrien zurückführen lassen. Sie entstehen zum Teil durch Mutationen in dem eigenen kleinen Erbgut, über das die Mitochondrien, kleine Organellen in den Zellen, verfügen. Vor allem in Muskelfasern, deren Zellen viel Energie brauchen, führt die geschädigte Energieversorgung zu mitunter schweren Dysfunktionen. Bei der vergleichsweise häufigen CPEO (Chronisch progressive externe Ophthalmoplegie) beispielsweise kommt es über Jahre hinweg zu einer zunehmenden Lähmung der Augenmuskeln. Andere Syndrome gehen mit Epilepsie (MERRF) oder Schlaganfall-ähnlichen Episoden (MELAS) einher.

Tragen Patienten einen solchen Gendefekt der mitochondrialen DNA, bildet sich im Muskel häufig ein Mosaik von stärker und weniger stark betroffenen Muskelfasern, die sich mit einer einfachen Färbung am Muskelschnitt unterscheiden lassen. Diese Färbung zielt auf die sogenannte Cytochrom-c-Oxidase (COX), ein zentrales Enzym in der Atmungskette der Mitochondrien, einer Folge von chemischen Reaktionen, die die Energie für die Zellen chemisch verfügbar macht.

Doch wie unterscheiden sich die stärker betroffenen COX-negativen von den weniger stark betroffenen COX-positiven Muskelfasern? Verfügen die weniger stark betroffenen Muskelfasern vielleicht über bessere Kompensationsmechanismen, von denen man auch für therapeutische Entwicklungen lernen könnte? Um das herauszufinden, kombinierten die Münchner Wissenschaftler um Thomas Klopstock, Professor für Neurologie am Friedrich-Baur-Institut an der Neurologischen Klinik der LMU, und Matthias Mann, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, zwei hochmoderne technische Verfahren. Zunächst „schossen“ sie aus Muskelschnitten von Patienten mittels eines Laser-Mikroskops COX-negative und COX-positive Muskelfasern heraus und trennten diese voneinander. Danach machten sie mittels eines hochempfindlichen Proteomik-Verfahrens Momentaufnahmen vom Proteinstatus der Zellen, und konnten rund 4000 verschiedene Eiweiße quantifizieren.

Damit lasse sich erstmal im Detail nachweisen, wie die Muskelzellen auf die Defekte reagieren, sagt Thomas Klopstock: COX-negative Zellen versuchen offensichtlich, die verringerte Funktionalität der Organellen zu kompensieren. Sie regeln die Maschinerie für die Proteinproduktion und speziell für Mitochondrien-Komponenten hoch.

Neben solchen Versuchen der Zellen, die qualitativen Defizite durch schiere Masse auszugleichen, fanden die Münchner Wissenschaftler aber auch höhere Levels von Chaperonen, zellulären Maschinen, die den Bau von Membranen bewerkstelligen, und von Proteinkomplexen, die für die Faltung der inneren Lamellen der Mitochondrien sorgen – vermutlich eine Reaktion der Zellen, um den Wirkungsgrad der Zellorganelle zu verbessern.

Marta Murgia vom Max-Planck-Institut, die Erstautorin der Studie, sagt; „Wenn wir verstehen, wie die ultimative Batterie der Zelle, die innere Mitochondrienmembran, den durch Krankheiten verursachten Leistungsverlust bekämpft, werden wir möglicherweise lernen, wie wir sie in Zukunft unterstützen können.“

Auch Klopstock hofft, dass weitere Studien dazu beitragen, die Mechanismen mitochondrialer Krankheiten zu entschlüsseln. Vielleicht ließen sich damit auch mögliche Ansatzpunkte für eine Therapie definieren. Medikamente, die zumindest die Biogenese von Mitochondrien unterstützen, seien derzeit bereits in präklinischen Tests.

Quelle: KUM