Medizinische Fakultät
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Das verbindende Element der Tumoren

Ob Darmkrebs, Leukämie oder Hautkrebs: Unabhängig vom Organ sind in den Tumorzellen oft die gleichen molekularen Signalwege gestört. Ärzte des Klinikums fahnden in einem Forschungsprojekt nach derlei Übereinstimmungen – und versuchen, den Patienten durch diese neuen Erkenntnisse unmittelbar zu helfen.

In jeder Krebszelle sind bestimmte Gene verändert, was zu einer übermäßigen oder verminderten Produktion von Proteinen oder zu veränderten Proteinen an sich führt. Diese Proteine gehören zu molekularen Signalwegen, über die Zellen ihr Wachstum und ihre Vermehrung regulieren. Diese molekularen Veränderungen verursachen, dass eine vormals gesunde zu einer bösartigen Zelle entartet. Die Tumorzellen vermehren sich jetzt grenzenlos und breiten sich auf verschiedene Organe im Körper aus. Die meisten Tumorarten sind gekennzeichnet durch mehrere solcher molekularen Veränderungen in verschiedenen Signalwegen. Sie können individuell in Patienten mit dem gleichen Tumortyp variieren. „Sie können sich aber auch in scheinbar unterschiedlichen Tumorarten – wie Darm- oder Blut- oder Hautkrebs – gleichen“, sagt Prof. Karsten Spiekermann von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III in Großhadern. Jedes einzelne Protein oder Enzym, das aufgrund einer molekularen Veränderung gebildet wird, ist ein Ziel, an dem ein passgenauer Wirkstoff ansetzen und das Wachstum und die Vermehrung der Krebszellen bremsen kann.

„Common Pathways for Cancer Therapy“ (COMPACT) und Verbundforschung

Gemeinsam mit dem Klinikum rechts der Isar hat das Klinikum der Universität München ein Konzept entwickelt, das COMPACT heißt. Die Abkürzung steht für „Common Pathways for Cancer Therapy“. Dieses Konzept ist Teil eines großen nationalen Verbundvorhabens, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und in dem sich sieben universitäre Standorte gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) darum bemühen, Krebserkrankungen besser zu verstehen und neue Behandlungskonzepte aus diesen Erkenntnissen abzuleiten.

spiekermann1 Professor Dr. Karsten Spiekermann
Experimentelle Leukämie- und Lymphomforschung

Prof. Karsten Spiekermann und sein Kollege, Privat- Dozent Sebastian Stintzing, arbeiten an diesem Ziel – neue Diagnostik und Therapie für die Patienten – auf zwei verschiedenen Wegen. Der eine, Spiekermann, kennt sich exzellent aus, wenn es um die Erforschung der molekularen Signalwege in Leukämien geht, zum Beispiel der Akuten Myeloischen Leukämie (AML). Der andere, Stintzing, hat Expertise in den entsprechenden Zellen von Tumoren des Magen- und Darmtraktes. Das ist das eine. Das andere: Um Mutationen in den unterschiedlichen Signalwegs-Genen bei jedem Patienten vergleichen zu können, braucht es eine einheitliche Methodik inklusive der dazugehörigen Geräte, die beispielsweise die Erbsubstanz in den verschiedenen Tumorzellen samt aller Mutationen haarfein entschlüsselt (sequenziert) und vergleicht. „Eine gemeinsame Analyse-Plattform inklusive bioinformatischer Auswertung ist von zentraler Bedeutung“, erklärt Sebastian Stintzing. Im Vergleich zu früheren Analysen, in denen nur einzelne Gene sequenziert wurden, können die Wissenschaftler nun alle Genveränderungen in den Tumorzellen identifizieren. Doch die Analyse – von der Gewinnung des Tumormaterials über die standardisierte Sequenzierung bis zur Identifikation und Bewertung krankheitsrelevanter Veränderungen – bleibt eine große Herausforderung. Es fallen gigantische Datenmengen an, die die Krebsforscher gemeinsam mit dem erfahrenen Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie (IBE) und dem Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität bearbeiten und interpretieren. Ob eine so identifizierte Genveränderung einen Ansatzpunkt für zielgerichtete Therapie bietet, wird in einer interdisziplinären Tumorkonferenz festgelegt. Auf dieser Basis vergleichen die Mediziner beispielsweise Genmutationen in Signalwegen von AML-Patienten mit Veränderungen in Genen von Darmkrebs-Patienten.

„Mit unserem Ansatz der gemeinsamen Signalwege sind wir forschungsmäßig ganz nah am Patienten dran“

Derlei Analysen laufen auf Hochtouren in Großhadern – mit ersten Resultaten. Ein Beispiel: Patienten mit metastasiertem Darmkrebs haben in denselben Signalwegen Mutationen wie Patienten mit einer bestimmten Leukämieart. Dementsprechend ist dieser Signalweg sowohl in der Leukämie als auch in der Therapie von Darmkrebs Ziel von Medikamenten.

Die BRAF-Mutation, die zu einer Daueraktivierung eines Wachstumsweges führt, ist bei etwa zehn Prozent der Tumoren im metastasierten Stadium des Darmkrebses vorhanden und findet sich ebenso in fast allen Fällen der sogenannten Haarzell-Leukämie, einer bestimmten Unterart von Blutkrebs. Neben der Identifikation der Mutation werden nun gemeinsame Therapiestrategien entwickelt, um Patienten unmittelbar mit Hemmstoffen gegen diese Mutation zu therapieren.

„Mit unserem Ansatz der gemeinsamen Signalwege sind wir forschungsmäßig ganz nah am Patienten dran“, sagt Karsten Spiekermann. Denn die Wissenschaftler konzentrieren sich momentan auf jene Angriffspunkte in molekularen Signalwegen, für die es bereits zugelassene Medikamente gibt.

Quelle: Jahresbericht 2014 (Text und Bildnachweis)