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Infektions- und Tropenmedizin

HIV-Aids und Tuberkulose (TB) sind in vielen Ländern Afrikas ein verheerendes medizinisches Problem – und hängen eng zusammen. Denn erst das geschwächte Immunsystem eines HIV-Infizierten erleichtert den Erregern der TB den Weg für eine ungehemmte Infektion der Lungen.

Dringend braucht die Medizin neue Impfstoffe gegen die beiden tödlichen Erkrankungen – und neue Medikamente. Entsprechende klinische Studien mit meist tausenden Patientengruppen sind gerade unter den widrigen Bedingungen auf dem schwarzen Kontinent keine triviale Aufgabe und erfordern eine große logistische und wissenschaftliche Expertise. „Neben dem Tropeninstitut an der Universität Tübingen sind wir in Deutschland die einzigen, die im großen Maßstab internationale klinische Studien für bedeutende Infektionserkrankungen organisieren“, erklärt Prof. Michael Hölscher, Leiter der Sektion Internationale Medizin und Public Health an der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität. In mehr als 15 Jahren Arbeit haben die LMU- Wissenschaftler eine Forschungsstation in Mbeya im südlichen Tansania aufgebaut mit über 170 Mitarbeitern. Am neu gegründeten Deutschen Zentrum für Infektionsforschung hat die Arbeitsgruppe zusammen mit dem Max-von-Pettenkofer-Institut die Leitung der LMU- und Klinikumsaktivitäten übernommen und will auch in der Grundlagenforschung von HIV/Aids und Tuberkulose, aber auch bei anderen wichtigen Infektionskrankheiten Akzente setzen und die Erkenntnisse in neue Therapien umsetzen.

„Fünf Medikamentenklassen werden getestet“

Beispiel: Tuberkulose. Zwar können die Mediziner eine TB mit einer Kombinationstherapie aus vier Antibiotika behandeln. Doch zum einen sind immer mehr TB-Bakterien resistent gegen die Medikamente geworden. Zum zweiten ist seit 1967 kein neues Antibiotikum gegen die Tuberkulose mehr auf den Markt gekommen. Zum dritten dauert die Therapie mit sechs Monaten deutlich zu lang – weshalb sie viele Patienten vorzeitig abbrechen und infolgedessen TB-Bakterien überleben, die die Entwicklung weiterer Resistenzen begünstigen. Nun aber regt sich zumindest Hoffnung. „Fünf neue Medikamenten-Klassen werden aktuell getestet“, sagt Prof. Hölscher. Beispielsweise ist das Münchner Team beteiligt an der klinischen Erprobung des Wirkstoffs Moxifloxacin, das eine weniger aktive Substanz der Vierfachkombination ersetzen soll. Das Ziel: Die Behandlungsdauer auf vier Monate zu verkürzen.

Zusammen mit einer kleinen amerikanischen Pharmafirma leitet Michael Hölschers Arbeitsgruppe auch die klinische Entwicklung eines neuen Wirkstoffs. „SQ109“ verkürzte in Versuchen mit Mäusen die Behandlungsdauer erheblich. Und: Offenbar hebt die Substanz einen Teil der Resistenzen gegen die beiden wichtigsten TB-Medikamente Rifampicin und Isoniazid auf. Damit könnte SQ109 sogar gegen multiresistente TB-Erreger eingesetzt werden. Seit Juni 2010 testen die Forscher den Wirkstoff erstmals in einer kleinen Studie an Menschen. Hier geht es vor allem um Sicherheitsaspekte und erste Aufschlüsse über die Wirkung.

Mit einem neuen Miniatur-Gerät können wir schnell und zuverlässig Erbgut von TB-Bakterien nachweisen.

mbeya Labor in Mbeya

Zwei Drittel aller Schwarzafrikaner tragen in ihren Lungen einen kleinen Tuberkulose- Herd, der normalerweise vom Immunsystem kontrolliert wird. Doch infiziert sich ein Mensch mit einer solch latenten TB mit HIV, steigt das Risiko einer akuten TB vielfach, und zwar sehr rasch, im Gegensatz zu anderen „opportunistisch“ bezeichneten Erkrankungen infolge einer HIV-Infektion, die erst in der Endphase des Immunschwäche- Leidens entstehen. Warum so schnell? Die Münchner Forscher lösten dieses Rätsel, weil sie Blutproben von vielen Menschen gesammelt hatten, die sich später mit dem Aids-Erreger infizierten. So lässt sich beleuchten, welche immunologischen Vorgänge ablaufen. Resultat: Schon wenige Wochen nach der HIV-Infektion erlischt die Immunantwort gegen die Tuberkulose-Bakterien, weil die TB-spezifischen Immunzellen ein Oberflächen-Molekül produzieren, das sie zum beliebtesten Angriffsziel der HI-Viren macht.

Erst bei weit fortgeschrittener Tuberkulose-Erkrankung startet die Immunabwehr gegen die TB-Erreger wieder, was die Forscher nutzen, um das erneute Aufkeimen der Erkrankung zu erkennen. Derzeit prüft ein Team der LMU-Tropenmediziner, inwieweit sich mit einem neuen Test voraussagen lässt, ob ein HIV-Infizierter im nächsten halben Jahr eine aktive Tuberkulose entwickeln wird. „Diese Patienten würde man dann natürlich sofort behandeln“, erklärt Prof. Hölscher. Bis aber der neue Test eingeführt wird, wollen die Wissenschaftler die rasche Erkennung einer bereits aufgekeimten TB verbessern. In weiten Teilen Afrikas verstreichen bis zu neun Monate, ehe die TB diagnostiziert wird. In dieser Zeit haben sich durchschnittlich drei andere Menschen angesteckt. Der Grund der Misere: Die Technik des Nachweises von TB-Bakterien ist veraltet und ineffizient. Nun aber erproben die Münchner Forscher in Mbeya ein neues Miniatur-Gerät, das schnell und zuverlässig Erbgut von TB-Bakterien nachweist. Damit verkürzt sich die Diagnostik von bislang einigen Wochen auf einen Tag – entsprechend zügiger kann die Behandlung anfangen. Je schneller eine Therapie beginnt, desto kleiner die Ansteckungsgefahr und desto größer die Chancen, die durch HIV/Aids entscheidend beeinflusste TB-Epidemie in Afrika einzudämmen.

mobileslabor Mobiles HIV- und TB-Labor

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung liegt in der Untersuchung von Faktoren, die vor HIV schützen und somit wichtig für die Impfstoffentwicklung sein könnten. Zusammen mit dem „US HIV Military Research Programme“ hat das Münchner Team 500 tansanische Prostituierte rekrutiert und nimmt zweimal wöchentlich Blutproben, um sie mit einer hochempfindlichen Erbgut-Diagnostik auf den Aids-Erreger zu untersuchen. Mit dem Ziel, HIV-Infektionen nach maximal fünf Tagen zu erkennen und damit die viralen und immunologischen Krankheitsmechanismen noch besser zu verstehen. Unter anderem geht es um die Frage, was das Immunsystem mancher Menschen widerstandsfähig gegen die HI-Viren macht.

Quelle: Jahresbericht 2010 (Text und Bildnachweis)