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Schlaganfall-Reha

feddersen Privatdozent Dr. Dr. Berend Feddersen

Alle drei Minuten erleidet in Deutschland ein Mensch einen Schlaganfall, womit sich die Zahl der Hirninfarkte Jahr für Jahr auf 150.000 summiert. Alle neun Minuten stirbt ein Patient an den Folgen. Damit ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache. Und er ist die häufigste Ursache von dauerhafter Behinderung. Die Prognose der Patienten lässt sich nach einer Studie an der Klinik für Neurologie des Klinikums der Universität München womöglich mit einem einfachen Mittel abschätzen: Wer in den Tagen nach einem schweren Schlaganfall seine Beine übereinander schlagen kann, hat deutlich bessere Überlebens- und Erholungschancen als Patienten, die dazu nicht in der Lage sind. Bislang brauchen die Mediziner für derlei Prognosen aufwändige Technik und Berechnungsverfahren. Bestätigen sich die Befunde in weiteren Studien, könnte jeder Arzt künftig mit dem simplen Mittel herausfinden, welche Patienten noch früher und intensiver mit der Rehabilitation beginnen sollten, weil ihre Aussichten besonders günstig sind.

Die „Bein-Kreuzer“ konnten auch selbstständiger leben.

„Die Aussagekraft unserer Untersuchung ist wirklich gut“, sagt Studienleiter Privat- Dozent Dr. Dr. Berend Feddersen und erzählt, dass die neue Erkenntnis aus einer Zufallsbeobachtung der Ärzte auf der Intensivstation im Klinikum am Campus Großhadern entstanden ist. Immer wieder kreuzten manche Patienten spontan ihre Beine, „was zunächst nur gemütlich ausgesehen hat; aber irgendwann hatten wir das Gefühl, dass es genau denen später besser geht als den anderen.“ Bei genauerer Betrachtung erscheint die Erkenntnis auch nicht unlogisch. Denn das Überschlagen der Beine ist ein Zeichen von unwillkürlicher Bewegung, die die Ärzte meist gar nicht wahrnehmen und die vielen der Patienten kaum mehr möglich ist.

beinekreuzen Wer in den Tagen nach einem schweren Schlaganfall seine Beine übereinander schlagen kann, hat deutlich bessere Überlebens- und Erholungschancen

Um ihre Beobachtung auf wissenschaftliche Füße zu stellen, bildeten die Münchner Ärzte aus ihrer Patienten-Klientel in der Neurologischen Intensivstation zwei Gruppen – bestehend aus 34 Patienten, die nach dem schlimmen Ereignis während ihres Aufenthalts auf der Neurologischen Intensivstation spontan ihre Beine im Liegen kreuzten und 34 Patienten, die das nicht taten. Alle Patienten waren ungefähr gleichen Alters und mit schweren Schlaganfällen eingeliefert worden, wurden künstlich beatmet und waren meist bewusstlos. „Alle hatten extrem schlechte Ausgangswerte bei der Aufnahme“, sagt Berend Feddersen. Ihre weitere Entwicklung beobachteten die Forscher ein Jahr lang.

Ergebnis: In der Gruppe der „Bein-Kreuzer“ starb nur ein Patient, in der Vergleichsgruppe waren es hingegen 18 Patienten. Bei Entlassung aus dem Krankenhaus hatten die „Bein-Kreuzer“ deutlich weniger neurologische Symptome wie Sprach- oder Bewegungsstörungen. Die Unterschiede hielten sich bis ans Ende des Beobachtungszeitraums. Die „Bein-Kreuzer“ konnten auch selbstständiger leben. Interessanterweise waren diese positiven Effekte jedoch nur zu sehen, wenn das Kreuzen der Beine in den ersten 15 Tagen nach dem Schlaganfall auftrat. Nun wollen die Ärzte die neue Methode noch einmal intensiv mit den etablierten Prognose-Verfahren vergleichen.

Quelle: Jahresbericht 2011 (Text und Bildnachweis)

Literatur: Rémi J, Pfefferkorn T, Owens RL, Schankin C, Dehning S, Birnbaum T, Bender A, Klein M, Adamec J, Pfister HW, Straube A, Feddersen B:
"The crossed leg sign indicates a favorable outcome after severe stroke"
Neurology 77 (2011) 1453-1456