Medizinische Fakultät
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Notfall-Medizin

Wenn sie im Schockraum der Notaufnahme einen schwerverletzten Patienten vor sich haben, wollen die Mediziner der Chirurgischen Klinik am Campus Innenstadt nur eins: so schnell wie möglich so viele verlässliche Informationen wie möglich über den Zustand und das Verletzungsmuster des Patienten bekommen, um das richtige Therapie- Konzept zu wählen. Denn es geht meist um Leben und Tod. Und um jede Minute. Dabei ist die optimal abgestimmte Zusammenarbeit von Unfallchirurgen, Anästhesisten und Radiologen im Schockraum essentiell – unterstützt von einer überzeugenden Technik. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Ganzkörper-Computertomographie die Sterblichkeitsrate von Schwerstverletzten senken kann“, sagt Oberarzt Dr. Stefan Huber-Wagner nach einer Studie, die er zusammen mit dem Biostatistiker Dr. Rolf Lefering vom Institut für Forschung in der operativen Medizin der Universität Witten/Herdecke in Köln geleitet hat und deren Ergebnisse in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurden.

Zunehmend mehr Krankenhäuser setzen die Ganzkörper-Computertomographie bereits ein – aus dem Gefühl heraus, dass die durchschnittlich nur 5 bis 15 Minuten dauernde „Total-Diagnostik“ mehr bringen muss als einzelne Organ-CTs. Doch ein wissenschaftlicher Beweis dafür fehlte. Entsprechend haben die Forscher die Daten von 4.621 Schwerstverletzten aus deutschen, österreichischen und schweizer Kliniken analysiert. 1.494 der Patienten wurden während der Schockraumphase mittels Ganzkörper- CT untersucht, die restlichen 3.127 Patienten nicht. Für die Analyse beider Gruppen haben die Wissenschaftler den Schweregrad der Verletzungen der Patienten und somit deren Risiko zu Versterben mitberücksichtigt. Das Team um Dr. Huber-Wagner verglich die tatsächliche und die erwartete Sterblichkeitsrate. Letztere basiert auf zwei „Scores“, die anhand der Daten von zehntausenden schwerstverletzter Patienten entwickelt wurden. Darin fließen zahlreiche Variablen ein, die letztlich eine sehr präzise Prognose darüber erlauben, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Unfallopfer sterben wird.

Der Ganzkörper-CT verschafft einen enormen Zeitgewinn.

Ergebnis: „In der Ganzkörper-CT-Gruppe starben signifikant weniger Patienten als erwartet“, erklärt Dr. Huber-Wagner. Je nach zugrunde liegendem Score kann statistisch gesehen jeder 17. bzw. 32. eingelieferte Patient durch die Total-Untersuchung entgegen seiner Prognose vor dem Tod bewahrt werden. Bei etwa 30.000 Schwerstverletzten alljährlich ließen sich somit allein in Deutschland etwa 1.500 bzw. 1.000 Menschen retten. Die Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit begründen die Forscher damit, dass sie ein Bild vom kompletten Verletzungsmuster des Patienten bekommen und somit rasch ihr Therapiekonzept festlegen können. Zudem spielt der enorme Zeitgewinn eine wesentliche Rolle.

„Jedes Menschenleben zählt“, sagt der Münchner Mediziner und plädiert generell für die Installation leistungsstarker Computer-Tomographen in Schockräumen oder deren unmittelbarer Nähe. Immer mehr Kliniken bauen auch entsprechend um. Auch das Klinikum der Universität München hält an seinen beiden Standorten Innenstadt und Großhadern modernste CTs für die Notfallversorgung vor. Allerdings steht noch nicht fest, ob jeder Patient eine Ganzkörper-CT bekommen sollte. Bei eindeutig Schwerverletzen steht das außer Frage, bei einigen „potenziell Schwerverletzten“ ist es derzeit noch eine Sache des Ermessens. Neue Studien sollen auch hier Klarheit bringen.

Quelle: Jahresbericht 2009 (Text und Bildnachweis)