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Ernährungsmedizin

Die Daten sind eindeutig: 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren sind übergewichtig, mehr als sechs Prozent gar extrem übergewichtig (adipös) – doppelt so viele wie vor 20 Jahren. Genetische Faktoren spielen eine Rolle für das individuelle Übergewichtsrisiko, ebenso ein veränderter Lebensstil mit zu wenig Bewegung und ungünstigen Ernährungsgewohnheiten. Auch die Embryonalentwicklung ist mit entscheidend: So verdoppelt sich die Häufigkeit der kindlichen Adipositas, wenn die Mutter während der Schwangerschaft raucht. Leidet die Mutter in der Schwangerschaft an Diabetes, ist das Risiko ebenfalls erhöht.

„Auch die Praxis der Säuglingsernährung und ihr Eiweißgehalt können die spätere Neigung zu Übergewicht beeinflussen“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung für Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München. Dies zeigt sich in einer in 2009 veröffentlichten multizentrischen Studie, die Prof. Koletzko und seine Mitarbeiter koordiniert haben. Mehr als 1.600 Neugeborene und deren Eltern aus Deutschland, Belgien, Polen, Italien haben daran teilgenommen.

Eine geringere Aufnahme von Eiweiß im Säuglingsalter beeinflusst direkt das Körpergewicht.

Schon seit einigen Jahren wissen die Forscher, dass gestillte Säuglinge im ersten Lebensjahr weniger zunehmen als nicht gestillte Kinder. Stillen für sechs bis neun Monate führt im Alter von einem Jahr zu einem 400 bis 600 Gramm geringerem Körpergewicht – im Vergleich zu Altersgenossen, die von Geburt an mit der Flasche ernährt wurden. Eine rasche Gewichtszunahme im Säuglingsalter und in den ersten zwei Lebensjahren ist aber ein starker Risikofaktor für späteres Übergewicht. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnisse hat die Weltgesundheitsorganisation die Standards des „normalen“ Wachstums nach unten korrigiert und am Wachstum gesunder und gestillter Säuglinge orientiert.

So stellt sich natürlich die Frage, warum Stillen vor späterem Übergewicht schützt? Rasch hatten die Münchner Mediziner einen Verdacht - denn Flaschennahrung enthält oft wesentlich mehr Eiweiß als Muttermilch. Infolgedessen steigt im Blut der Babys die Konzentration der Eiweiß-Bausteine (Aminosäuren) an, die wiederum die vermehrte Ausschüttung zweier Hormone stimulieren: Insulin und Insulin-Wachstumsfaktor-1. Beide Moleküle sind auch an der Regulation der Gewichtszunahme beteiligt.

In der neuen, von der Europäischen Kommission geförderten Studie wurden 990 Säuglinge in den ersten Lebenswochen zufällig zwei Gruppen zugeordnet: Die einen bekamen Anfangs- und Folgemilch mit höherem, die anderen mit niedrigerem Eiweißgehalt. Im Vergleich dazu wurden 298 Stillkinder beobachtet. „Nach zwei Jahren waren die mit eiweißärmerer Flaschenmilch ernährten Kinder etwa gleich schwer wie die gestillten Kinder“, betont Prof. Koletzko. Dagegen erhöhte sich das Gewicht mit eiweißreicherem Milchersatz bei gleicher Größe deutlich mehr. Eine geringere Aufnahme von Eiweiß im Säuglingsalter beeinflusst also direkt das Körpergewicht. „Wir empfehlen eindeutig das Stillen als ideale Ernährungsform für gesunde Säuglinge“, erklärt der Münchner Kinderarzt. Falls Vollstillen nicht möglich ist, sollte im ersten Lebensjahr möglichst eine eiweißärmere Säuglingsnahrung eingesetzt werden. Familien können Produkte vergleichen, denn der Eiweißgehalt ist auf dem Etikett angegeben. Auch andere eiweißreiche Lebensmittel wie Vollmilch, Quark oder Joghurt sollten im ersten Lebensjahr nicht oder nur in kleinen Mengen gefüttert werden.

Quelle: Jahresbericht 2009 (Text und Bildnachweis)