Medizinische Fakultät
print

Links und Funktionen
Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

AT1-Rezeptoren und Bluthochdruck

gudermann Professor Dr. Thomas Gudermann
„Rezeptoren reagieren auch auf mechanische Reize”

Ein Luftballon oder ein Reifen eines Fahrrads dehnen sich aus, wenn man sie aufpumpt, also den Druck im Innern erhöht. Dass sich kleinste Gefäße in den Nieren, im Gehirn und einigen anderen Organen bei einer lokalen Erhöhung des Blutdrucks zusammenziehen, erscheint also auf den ersten Blick paradox. Aber aufgrund dieses seit fast 110 Jahren bekannten „Bayliss-Effektes” bleibt der Blutfluss in den Mini-Gefäßen trotz Druckschwankungen immer stabil. Wie dieser lebenswichtige Prozess molekular zustande kommt, haben Prof. Thomas Gudermann und seine Kollegen vom Walter-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU entdeckt.

Entscheidend für den Effekt sind die glatten Muskelzellen in den Gefäßwänden. In den äußeren Hüllen (Membranen) dieser Zellen sitzen die AT1-Rezeptoren, die normalerweise vom Molekül Angiotensin II aktiviert werden. Doch „wir haben nachgewiesen, dass diese Rezeptoren nicht nur biochemisch, sondern auch durch mechanische Reize aktiv werden”, erklärt Prof. Gudermann – etwa wenn die Membran durch den erhöhten Blutdruck gedehnt wird. Dann gibt der durch die Spannung aktivierte Rezeptor sein Signal über weitere Moleküle an benachbarte, TRPC6 genannte Ionenkanäle weiter, die ebenfalls in der Membran verankert sind.

Beim veränderten Protein kommt es zu einem Magnesium-Mangel in den Zellen.

Ionenkanäle sind porenbildende Proteine, die es geladenen Teilchen ermöglichen, die Membran zu durchqueren. Der Einstrom von Kalzium- oder Natrium-Ionen sorgt in diesem Fall dafür, dass sich die Muskelzellen zusammenziehen und das Lumen der kleinen Gefäße mithin kleiner wird. Deren Muskelzellen sind dicht bepackt mit AT1- Rezeptoren. Die Aktivierung durch Angiotensin II und mechanische Reize macht das System sensitiv und stabil. Allerdings ist die „myogene Vasokonstriktion” beispielsweise bei Patienten mit Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Diabetes gestört. „Unsere Studien können jetzt erklären, wie bestimmte Medikamente, die AT-1-Rezeptor- Blocker, gegen den Bluthochdruck wirken und die lokale Durchblutung von lebenswichtigen Organen, beispielsweise der Niere beim Diabetes mellitus verbessern”, erklärt der Münchner Forscher.

apparatur Vorrichtung zur Zellperfusion bei der Messung
einzelner Ionenkanäle (Elektrophysiologie)

Der am Bayliss-Effekt beteiligte Ionenkanal TRPC6 gehört zur großen Familie der TRP-Ionenkanäle. „Rund 30 dieser Proteine sind beim Menschen bekannt”, sagt Prof. Gudermann – unter anderem TRPM6. Das LMU-Team hat gezeigt, dass verschiedene seltene Erkrankungen, vorzugsweise der Nieren, durch Mutationen im Gen für TRPM6 verursacht werden. Diese Mutationen verändern das Protein derart, dass es nicht mehr funktioniert und es zu einem Magnesium-Mangel in den Zellen kommt. Diese Störung ist so universell, dass sie selbst bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster nachweisbar ist. Eine der menschlichen Erkrankungen, HSH genannt, trifft Kinder. Infolge der Störungen im Magnesium-Stoffwechsel kommt es auch zu einer Unterversorgung der Zellen mit Kalzium. Unbehandelt leiden die Mädchen und Jungen an Krampfanfällen, verlangsamtem Wachstum und anderen chronischen neurologischen Störungen. Allerdings kann die Krankheit durch die tägliche Gabe hoher Dosen Magnesium so therapiert werden, dass die Kinder normal aufwachsen.

Quelle: Jahresbericht 2010 (Text und Bildnachweis)